Preisträger 2015: Theo Waigel
Scheidegger Ehrung geht heuer an den früheren Bundesfinanzminister
Der frühere Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzende Theo Waigel reiht sich die Riege der Träger des Scheidegger Friedenspreises ein. Nach Rainer Eppelmann, Lothar de Maizière, Christian Führer, Markus Meckel, Vera Lengsfeld und Rudolf Seiters wurde der 76-Jährige von einem Gremium bestehend aus Bürgermeister Ulrich Pfanner, Preisstifter Manfred Przybylski, Pater Austin Abraham, Pfarrerin Ingrid Ossig sowie je einem Vertreter der im Gemeinderat repräsentierten Parteien nominiert. Die Übergabe der weißen Porzellantaube findet am Sonntag, 4. Oktober ab 19.30 Uhr bei einem Festakt im Kurhaus statt. Der Scheidegger Friedenspreis würdigt die Arbeit rund um die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und wird nicht mittels einer Abstimmung im Vergabegremium verliehen, sondern zielt auf eine gemeinsam getroffene Entscheidung ab.
Zwei Hauptgründe waren für Bürgermeister Ulrich Pfanner für die Wahl Waigels ausschlaggebend. Theo Waigel habe während seiner Amtszeit als Bundesfmanzminister (1989 bis 1998) die finanziellen Kosten der Wiedervereinigung gemeistert und sich anschließend als Mitarchitekt des Euro einen Namen gemacht. „Die Idee des Euro als verbindende Klammer innerhalb Europas erwies sich als ein effektiver Friedensstifter und ermöglicht europaweit gemeinsame Lösungsansätze”, sagte Pfanner. Manfred Przybylski, der Stifter des Preises und langjährige Geschäftsführer des Tagungszentrums der Konrad-Adenauer-Stiftung am Corner See, sprach von einem „wunderbaren” Preisträger, der zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung gekürt worden sei: „Erstens: Er ist ein Bayer. Zweitens: Er ist ein im Großen und Ganzen beliebter Bayer. Und Drittens: Theo Waigel ist zu diesem Jubiläum eine wirklich staatstragende Persönlichkeit.” Waigel war, so der Wahl-Scheidegger, maßgeblich an der Durchführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion beteiligt.
Preisstifter Przybylski hofft auf zahlreiche jugendliche Besucher beim Festakt im Kurhaus: „Hier gibt es historische Informationen aus erster Hand, die so nicht unbedingt im Schulunterricht auftauchen.” Allerdings ließ bei den bisherigen Preisverleihungen das Interesse der jungen Mitbürger zu wünschen übrig, bedauerte Przybylski, weswegen einige ehemalige Preisträger am Montag nach dem Festakt noch vor Schülern des Lindenherger Gynmasiums referiert hätten. Aus terminlichen Gründen ist das Waigel aber nicht möglich.
Dieser Text erschien am 20.06.2015 im Westallgäuer
Bildnachweis: Von Peter Jirmann Jr. / Waigel RA – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0.
„1990 war wohl das beste Jahr in der Geschichte”
Verleihung Der frühere Finanzminister Theo Waigel nimmt den Scheidegger Friedenspreis entgegen und erinnert vor allem an die wirtschaftlichen Begleitumstände der Wiedervereinigung. Die USA habe damals eine wichtige Rolle gespielt.
Scheidegg Theo Waigel war elf Jahre Bundesfmanzminister, als CSU-Vorsitzender Nachfolger von Franz-Josef Strauß und einer der Mitgestalter der deutsehen Einheit 1990. Als solcher bekam er jetzt den Scheidegger Friedenspreis verliehen. Und dabei betonte der 76-Jährige, dass ihm dieser Preis sehr viel bedeute - stamme die Auszeichnung doch aus dem Westallgäu, das er aufgrundeines aus Weiler stammenden Firmpaten schon als Kind häufig besucht hatte. Zudem stehe der Friedenspreis im direkten Zusammenhang mit der deutschen Einheit. Auch dies bedeute ihm viel, betonte Waigel vor 150 Besuchern im Kurhaus.
Zum siebten Mal hat die Marktgemeinde Scheidegg den von Manfred Przybylski gestifteten Friedenspreis verliehen. Frühere Preisträger wie der Pfarrer Christian Führer oder die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld schilderten in ihren Reden, wie sie in der DDR die Wende 1989 erlebten. Dabei standen die Emotionen im Vordergrund. Im deutlichen Kontrast dazu stand die Rede, die Waigel hielt. Was nicht verwunderte, schließlich war er zu der Zeit Finanzminster und stand als solcher kurz davor, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. Die Wiedervereinigung hat das verhindert. Detailreich schilderte Waigel die seinerzeit umstrittene Festlegung des Kurses von 1:1, zu dem DDR-Bürger einen Teil ihres Geldes in D-Mark umtauschen konnten. Und es kam durchaus einer Rechtfertigung gleich, als Waigel betonte, ohne dies und die schnelle Währungsunion wären noch mehr DDR-Bürger in die Bundesrepublik übergesiedelt. Eine mögliche Folge wären Zuzugsbeschränkungen gewesen.
Von einem "finanziellen Gewaltakt" sprach Waigel, von den Kosten von 1,5 bis 2,1 Billionen D-Mark, die die Einheit letztlich gekostet habe und davon, dass die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland heute geringer seien als in den 60er-Jahren zwischen Baden-Württemberg und Bayern. Aber jenseits dieser ökonomischen Folgen der Einheit habe es als wichtigste Folgen "Freiheit und Würde" für die ehemaligen DDR-Bürger gegeben. Dass junge Christen wieder studieren dürfen, die Menschen wieder ihre Meinung äußern und reisen können, "das ist wichtiger als alles andere", betonte Waigel. Die Rolle der USA betonte der heutige CSU-Ehrenvorsitzende mehrfach: "Sie standen felsenfest auf unserer Seite. Ohne sie wäre die Einheit nicht möglich gewesen." Zum schnellen Handeln habe es keine Alternative gegeben. Das habe die Geschichte bestätigt. Schon ein Jahr später sei der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow gestürzt worden. Ob die Einheit mit dessen Nachfolger Boris Jelzin möglich gewesen wäre, ließ Waigel offen, sagte aber: "Mit Putin hätten wir sie nicht erreicht." Vor diesem Hintergrund sei es richtig gewesen, so schnell zu handeln. Und das Jahr 1990 sei so "das wohl beste Jahr in der Geschichte Deutschlands" geworden.
Dieser Text erschien am 06.10.2015 im Westallgäuer.
V. l. n. r.: Manfred Przybylski, Preisträger Theo Waigel, Bürgermeister Ulrich Pfanner. Bildquelle: www.all-in.de
Flucht aus dem Osten verhindert
Warum Theo Waigel den Friedenspreis erhält
Den meisten Deutschen ist er als Wegbereiter des Euro bekannt – Ex-Finanzminister Theo Waigel. Am Sonntag bekommt der frühere Herr über den Bundeshaushalt den Scheidegger Friedenspreis, eine weiße Taube aus Porzellan. Auch das hat mit Finanzen zu tun, vor allem der Rolle, die Waigel bei der Gestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion gespielt hat.
Manfred Przybylski hat den Friedenspreis ins Leben gerufen. Der Wahlscheidegger hat einst einen der größten CDU-Kreisverbände in der Republik geführt. Und als Geschäftsführer des Tagungszentrums der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung am Corner See hat er alle Größen der Christdemokraten kennengelernt. Das hat ihm anfangs die Türen geöffnet, als es darum ging, prominente Preisträger zu finden. Mit Parteipolitik hat die Auszeichnung freilich nichts zu tun, wie die Liste der Preisträger zeigt. Die meisten kommen aus dem Osten, waren teils Galionsfiguren des Widerstandes gegen das SED-Regime. Der Theologe und Bürgerrechtler Rainer Eppelmann - Staatsfeind Nummer eins in der DDR - erhielt 2009 in Scheidegg die erste weiße Taube. Lothar de Maiziere (letzter Ministerpräsident der DDR), Christian Führer (Pfarrer in der Leipziger Nikolaikirche), Markus Meckel (letzter Außenminister der DDR), Vera Lengsfeld (Bürgerrechtlerin) und Rudolf Seiters (Bundesinnen- und Kanzleramtsminister) folgten.
Wie passt Theo Waigel in die Reihe? Gut, sagt Bürgermeister Ulrich Pfanner, der mit in der Jury sitzt, die den Preis vergibt. Waigel war von 1989 bis 1998 Bundesfmanzminister. In der Funktion gehörte er zu den Architekten der Wirtschafts- und Währungsunion. Dabei ging es nicht zuletzt um die Frage, in welchem Verhältnis Ost- und West-Mark bewertet werden sollten. Am Ende gab es zumindest für kleine Guthaben einen Umtausch 1:1. Das habe dazu beigetragen, dass es nicht zu einem massenhaften Exodus aus den neuen Bundesländern gekommen ist. "Die meisten Menschen sind in ihrer angestammten Heimat geblieben", sagt Pfanner. Und: Mit Waigel als Finanzminister habe Deutschland die "Finanzierung der Einheit gestemmt".
Von Washington nach Scheidegg
Freilich geht die Bedeutung Waigels über die Finanzen hinaus. Er galt als enger Vertrauter von Bundeskanzler Helmut Kohl. Als solcher hat der heute 76-Jährige alle Entscheidungen, die zur Deutschen Einheit führten, mitgeprägt, von der Einführung der D-Mark in der DDR über die Verhandlung mit dem russischen Staatspräsidenten Gorbatsohow bis hin zur Aushandlung des Vertrages über den Abzug der Sowjetarmee aus Deutschland. Deshalb hat Waigel gestern in Washington zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung gesprochen. Przybylski hofft auf viele jugendliche Besucher beim Festakt im Kurhaus. Er spricht von einer "besonderen Geschichtsstunde". Denn die Preisträger waren bei den teils dramatischen Ereignissen rund um die Wiedervereinigung unmittelbar dabei, auch Theo Waigel.
Dieser Text erschien am 02.10.2015 im Westallgäuer.