Preisträger 2019: Reiner Kunze

Friedenspreis für einen großen Literaten

Preisträger Reiner KunzePreisträger Reiner Kunze

Auszeichnung: Der Büchnerpreisträger Reiner Kunze hat sich wie kaum ein anderer in seinen Werken mit dem Leben und den Konflikten in der DDR auseinandergesetzt. Die Verleihung findet am 3. Oktober in Scheidegg statt.

Reiner Kunze erhält den 11. Scheidegger Friedenspreis. Der 85-Jährige ist einer der bedeutend­sten deutschen Literaten. Wie kaum ein Zweiter hat der Lyriker über das Leben in der DDR, seine Konflikte und die Liebe geschrieben. Neben vielen Auszeichnungen hat er den Büchner-Preis erhalten, die renom­mierteste Auszeichnung für Schrift­steller im deutschsprachigen Raum. „Es steht Scheidegg gut an, einen Büchnerpreisträger hier zu haben”, sagt Bürgermeister Uli Pfanner. Kunze wird den Preis wie üblich am Feiertag, 3. Oktober, erhalten. Da­bei wird er aus seinen neuesten Werken lesen.

Der Scheidegger Friedenspreis ist für Menschen bestimmt, die sich um die deutsche Einheit verdient ge­macht haben. Bisher ist er immer an Personen gegangen, die sich aktiv für die Wende in der DDR oder die Wiedervereinigung eingesetzt hatten. So gehören beispielsweise Theo Waigel, Rainer Eppelmann, Lothar de Mai­ziere und die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld zu den Preisträgern. 

Insofern ist Kunze eine Ausnah­me. Er ist bereits 1977 aus der DDR ausgewandert. Sein Ausreiseantrag wurde binnen dreier Tage geneh­migt – das zeigt, wie unerwünscht der Literat dem Regime geworden war. Der Schriftstellerverband der DDR hatte Kunze wenige Monate zuvor ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Zudem drohten dem Literaten und seiner Frau mehrjährige Haftstrafen. Der Schriftsteller, der in Leipzig Philosophie und Journalistik studierte, hatte sich in seinen Werken kritisch mit der Gesellschaft in der DDR auseinandergesetzt. Zum Bruch mit der Einheitspartei war es bereits nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei 1968 gekommen. 

Kunze trat aus der SED aus. Danach nahm ihn die Stasi ins Visier. Über Jahre hinweg, bespitzelte sie den Schriftsteller, der am Freitag 86 Jahre alt wird. Wie intensiv das ge­schah, zeigte sich 1990, als der Lite­rat als einer der ersten Einblick in seine Stasi-Akten nehmen konnte. Unter dem Decknamen „Lyrik" hatte die Staatssicherheit zwölf Ak­ten mit zirka 3500 Blatt angelegt.

Manfred Przybylski, der Stifter des Friedenspreises, hat den Litera­ten für die Auszeichnung vorge­schlagen. Arnold Vaatz, der Preis­träger des Jahres 2018, hatte ihn auf die Idee gebracht. Die Jury mit Ver­tretern der beiden Kirchengemein­den und der Gemeinde hat den Vor­schlag einhellig für gut befunden.

Die Preisverleihung weicht in ein paar Punkten von denen der Vor­jahre ab. So wird erstmals nicht Manfred Przybylski die Laudatio halten, sondern Arnold Vaatz. „Ich bin in seinen Büchern nicht so zu Hause, wie es nötig wäre”, sagt Przybylski. Anders als üblich wird der neue Preisträger auch keine Festrede halten. Stattdessen wird Kunze am 3. Oktober aus seinen un­längst erschienenen Werken „Die Stunde mit mir selbst” und „Doch schade um das Volk” lesen. 

Dieser Artikel erschien am 14. August 2019 im Westallgäuer, von Peter Mittermeier.
Bildnachweis: Von Schelm – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

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