Preisträger 2021: Heinz Eggert

Vom Staat in die Nachdenklichkeit getrieben.

Heinz Eggert erhält den 13. Scheidegger Friedenspreis. Er erzählt, wie er vom Kind nicht besonders systemkritischer Eltern zum kritischen Theologen wurde. Die Laudatio von Günther Oettinger kommt per Video aus Rom.

Der frühere sächsische Innenminister und stellvertretende CDU-Vorsitzende Heinz Eggert hat den 13. Scheidegger Friedenspreis erhalten. In seiner Festrede setzte er einen besonderen Schwerpunkt. So schilderte der 75-Jährige vor allem seinen persönlichen Werdegang vom mehr oder minder an das DDR-System angepassten Bahnarbeiter zum kritischen Theologen, der noch lange das „System verändern, aber nicht abschaffen" wollte.

Stehend Applaus bekam Heinz Eggert, der den 13. Scheidegger Friedenspreis erhalten hat, nach seiner Rede im Kurhaus. Mit im Bild Ehefrau Ulrike.

Stehend Applaus bekam Heinz Eggert, der den 13. Scheidegger Friedenspreis erhalten hat, nach seiner Rede im Kurhaus. Mit im Bild Ehefrau Ulrike. (Foto: Olaf Winkler)

Der Scheidegger Friedenspreis soll an die friedliche Wiedervereinigung 1990 erinnern. Die bisherigen Preisträger haben in ihren Reden höchst unterschiedlich dazu Stellung genommen. Theo Waigel beschrieb 2015 aus der Sicht des damaligen Finanzministers im Detail die Schritte von der Mauereröffnung im November 1989 bis zur staatlichen Wiedervereinigung elf Monate später. Arnold Vaatz nutzte 2018 die Gelegenheit, auf die Situation der Ostdeutschen nach der Wende und die Auswirkungen auf die heutige politische Situation in den ostdeutschen Bundesländern einzugehen. Heinz Eggert blickte aus einer anderen, besonderen Perspektive zurück. Er beschrieb seinen persönlichen Werdegang. In Rostock sei er bei „nicht besonders systemkritischen Eltern" aufgewachsen. Er bekannte auch, dass er den Prager Frühling 1968 „intellektuell nicht verstanden" habe. Die dortigen Reformbemühungen rund um Reise-. Streik- und Pressefreiheit hätten ihn nicht besonders bewegt, denn: „Ich habe vieles nicht vermisst." Das änderte sich, als Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 in die Tschechoslowakei einmarschierten und dem Prager Frühling ein gewaltsames Ende setzten. „In dieser Nacht bröckelten meine sozialistischen Überzeugungen ab", berichtete Egger den rund 80 Besucherinnen und Besuchern im Scheidegger Kurhaus.

Er weigerte sich, den Einmarsch per Unterschrift gutzuheißen, kam kurzzeitig in Haft und trat „aus Protest und Trotz" aus allen Organisationen der DDR aus. „Ich wurde staatlicherseits in eine von mir nicht gewollte Nachdenklichkeit getrieben", beschrieb Eggert diese Situation. Er lernte seine heutige Frau Ulrike kennen, die durch ein christliches Elternhaus geprägt war, ließ sich mit 23 Jahren konfirmieren und studierte Theologie, nachdem er in seinem Beruf bei der Bahn nicht mehr arbeiten konnte, da er am Grenzbahnhof in Warnemünde eingesetzt worden war.

1986 erstmals in der BRD

Auch in den Folgejahren sah sich Eggert nie als Staatsfeind, wurde vom DDR-Regime aber so behandelt. Heute weiß er, dass über 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit auf ihn angesetzt waren. 1986 konnte er erstmals in die Bundesrepublik reisen: „Mein Heimatbegriff vergrößerte sich." Im Mai 1989 erlebte er die Fälschung der Kommunalwahlen in der DDR - und verstand die Empörung nicht: „Die Wahlen waren doch immer gefälscht."

Nach der Wende sei er entschlossen gewesen, kein politisches Amt zu übernehmen. Es kam anders: Eggert wurde kurzzeitig Landrat in Zittau und erlebte dort „die Wendigkeit mancher Zeitgenossen". Vielen Mitarbeitern habe er „gekündigt wegen politischer Unmoral im öffentlichen Dienst". Und er sei 1990 erstaunt gewesen; „unter wie vielen Widerstandskämpfern ich gelebt hatte". Größten Respekt hat Eggert vor jenen, die in den Wendetagen 1989 tatsächlich auf die Straße gingen: „Den Friedenspreis habe ich auch wegen dieser Mutigen angenommen."

Später berief ihn der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf zum Innenminister - und ab 1992 war er Stellvertreter von Helmut Kohl in der CDU („Obwohl er keine Stellvertreter brauchte.").

Den „unbeugsamen Willen, und freiheitlichen Drang" von Eggert beschrieb Günther Oettinger zu Beginn in seiner Laudatio. Die sollte der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg eigentlich vor Ort halten. Kurzfristig habe er wegen Terminüberschneidungen absagen müssen, entschuldigte ihn Scheideggs Bürgermeister Ulrich Pfänner. So sahen die Besucher eine aufgezeichnete Rede von Oettinger, der sich in Rom aufhielt. Markant dabei waren die Hintergrundgeräusche. Sie kommentierte der Preisträger so: „Ich werde Günther Oettinger fragen, warum er sein Mikrofon zwischen zwei Güterzügen aufgebaut hat."

Dieser Artikel erschien im Westallgäuer, von Olaf Winkler.

Pfarrer, harter Hund und Friedenspreisträger 

Preisträger Heinz EggertPreisträger Heinz Eggert (Foto: Heinz Eggert)

Der frühere sächsische Innenminister Heinz Eggert erhält Auszeichnung im Westallgäu. Wie er zum DDR-Kritiker wurde.

Er ist evangelischer Geistlicher, war Innenminister in Sachsen und ist jetzt 13. Träger des Scheidegger Friedenspreises: Heinz Eggert hat die Auszeichnung am Sonntagabend im Kurhaus der Westallgäuer Marktgemeinde erhalten. Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger bescheinigte dem 75-Jährigen in einer per Video übermittelten Laudatio „unbeugsamen Willen und freiheitlichen Drang".

Der Friedenspreis ist für Menschen gedacht, die sich um die deutsche Einheit verdient gemacht haben. Zu den Preisträgern zählen beispielsweise Theo Waigel und die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld.

Eggert schilderte selber seinen Werdegang vom mehr oder minder an das DDR-System angepassten Bahnarbeiter zum kritischen Theologen. Einschneidend war der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes 1968 in die Tschechoslowakei. Eggert: „In dieser Nacht bröckelten meine sozialistischen Überzeugungen ab." Er weigerte sich, den Einmarsch gut zu heißen, kam kurz in Haft und trat „aus Protest und Trotz" aus allen Organisationen der DDR aus. Seine Arbeit am Bahnhof in Rostock musste er aufgeben. Eggert begann ein Studium der Theologie.

Sein Pfarrhaus in Oybin wurde zu einer Anlaufstelle für Menschen, die ein Problem mit dem politischen System hatten. Eggert sah sich nach eigenem Bekunden nicht als Staatsfeind, wurde vom Regime aber so behandelt. Heute weiß er, dass über 60 Spitzel der Stasi auf ihn angesetzt waren.

Während der Wende engagierte sich Eggert beim Neuen Forum. Vor denen, die 1989 auf die Straße gingen, hat er „größten Respekt". „Den Friedenspreis habe ich auch wegen diesen Mutigen angenommen", sagt er. Nach der Wende sei er entschlossen gewesen, kein politisches Amt zu übernehmen. Es kam anders: Eggert wurde Landrat in. Zittau. Dort kündigte er vielen Mitarbeitern „wegen politischer Unmoral im öffentlichen Dienst". Das brachte Eggert einen Ruf als „harter Hund ein" und beschleunigte seine politische Karriere: Sachsens damaliger Ministerpräsident Kiurt Biedenkopf ernannte ihn zum Innenminister. Das blieb er bis 1995.

Dieser Artikel erschien in der Allgäuer Zeitung, (pem, owi).

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